2022-01-28
Das Gutachten beschuldigt 173 Priester, zählt fast 500 Geschädigte und erschüttert die Glaubwürdigkeit des früheren Papstes Benedikt XVI, Josef Ratzinger. Und Ulrich Schäfer meint auf sz.de am 24. Januar 2022: »Franziskus oder Benedikt - zumindest ein Papst sollte um Vergebung bitten«.
»Gut, dass die Verwicklung von mehreren Münchner Erzbischöfen, darunter Joseph Ratzinger, in diesen Fall so akribisch aufgearbeitet wurde. Man kann sich aber auch fragen: Warum erst jetzt? Warum so spät?«
„So akribisch“? – Das ist ja der blanke Hohn!
„Warum erst jetzt? Warum so spät?“ – Die Frage muss heißen. „Warum so systemimmanent/strafvereitelnd?“
Warum werden priesterliche Täter nicht obligatorisch vor ordentlichen Strafgerichten zur Rechenschaft gezogen? Gesellschaft (Staat) täte gut daran, die infragestehenden Bischöfe wg. Unterlassung resp. Begünstigung vor ein ordentliches Strafgericht zu stellen. Gesellschaft gewährt Straf-Schutzräume für exponierte Täter.
»Franziskus oder Benedikt - zumindest ein Papst sollte um Vergebung bitten«?
Ach – und das wars dann? Um Vergebung bitten, während die Opfer des priesterlichen sexuellen Missbrauchs auch durch begünstigendes Verhalten von Bischöfen und – wie wir jetzt wissen – Papst jahrelang gedemütigt wurden?
Die Rechtsanwälte Westphal, Spilker und Wastl (”WSW”) sprechen in ihrem 1.893 Seiten langen Gutachten von “strukturellen Ermöglichungsbedingungen sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche”. Ja, die haben „akribisch“ gearbeitet und die freche Lüge von Papst Benedikt XVI in dieser Angelegenheit öffentlich gemacht. Unter diesen Bedingungen dann hat sich Benedikt XVI dann plötzlich erinnern können, nachdem er den aufgedeckten Tatbestand zuvor heftig bestritten hatte.
Und er erklärte sich nicht einmal selber. Dafür schickte er seinen treu ergebenen Privatsekretär Georg Gänswein vor. Der 94-Jährige wollte bei seiner Korrektur der Aussage “betonen, dass dies nicht aus böser Absicht heraus geschehen ist, sondern Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme war”, hieß es in Gänsweins Statement. “Dieser Fehler tut ihm sehr leid und er bittet, diesen Fehler zu entschuldigen.” Gänswein wollte zudem klarstellen, dass in jener Sitzung vom Januar 1980 “über einen seelsorgerlichen Einsatz des betreffenden Priesters nicht entschieden wurde. Vielmehr wurde lediglich der Bitte entsprochen, diesem während seiner therapeutischen Behandlung in München Unterkunft zu ermöglichen”. – Das nennt man jawohl Kadavertreue. Der Mann relativiert das Verhalten devot. Er hätte besser den Mund gehalten.
„Um Vergebung bitten“? – Buße, um einen Terminus der kath. Kirche zu bemühen, Wiedergutmachung ist angesagt und nicht nur symbolisch.
Das Verhalten der priesterlichen Täter und ihrer systemgetreuen priesterlichen Vorgesetzten ist nicht irgendwie nur einfach ein Straftatbestand nach Strafgesetzbuch, sondern ein in besonderer Weise um vieles perfider insofern, als die kath. Kirche Sexualität in „Stellvertretung Gottes“ dämonisiert und als Todsünde bezeichnet. – Damit wiegt das sexuelle Missbrauchsverhalten der in Rede stehenden Priester „doppelt schwer“.
Die kath. Kirche erklärt uns zu Todsündern, wenn wir unsere sexuellen Handlungen nach den Vorstellungen dieser Priesterschaft nicht auf den ehelichen Zeugungsakt reduzieren. Alles, was sich nicht mit dem, die sexuelle Handlung legitimierenden ehelichen Zeugungsakt verträgt, ist nicht gestattet.
Der vitale Antrieb, durch den aktive sexuelle Beziehungsgestaltung möglich wird, wird pathologisiert indem der autoritär/anmaßende „Stellvertreter Gottes“ den Laien und Gläubigen gegenüber mit seiner ganzen Autorität behauptet, ihr alltägliches Sexualverhalten, das sie ein Leben lang begleitet, sei im Großen und Ganzen Todsünde. Sie und die Priester konditionieren eine neurotische Angstproblematik und halten die Gläubigen so und durch ein rigides und sexualfeindliches Regime in der Rolle des ewigen Sünders gefangen.
Und diese üblen Täter stülpen mit ihrem verhängnisvollen sexuellen Missbrauch ihren Opfern (den ewigen Sündern) gleich eine „doppelte“ Schuldenlast über.
Sieben Milliarden Menschen sind mit Sexualität ausgestattet und aufgefordert, sie „ein Leben lang“ täglich gestalten – auch die Priester. Wir Menschen sind hierfür mit opulenten Werkzeugen versehen. Wir verfügen über Millionen von menschlichen Ei- und Samenzellen, sind während des Sexualkontaktes und auch sonst zu enormen Körpersensationen in der Lage. Die Sexualität ist ein vitaler Antrieb, der permanent sämtliche Lebensbereiche beeinflusst und uns selbst noch zu enormsten Leistungen antreibt.
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Hauptsache, keusch!
Kardinal Reinhard Marx hat am 27.01.2022 in der Katholischen Akademie München zu dem vor einer Woche vorgestellten Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising Stellung bezogen und seine sexualitätsfeindliche Lehrformel erneuert, die ja gleichermaßen die pathologische Botschaft der kath. Kirche als Institution ist.
Reinhard Marx bemerkt dabei, dass Homosexualität keine Einschränkung sei, um Priester zu werden. „Ob jemand homosexuell orientiert ist oder heterosexuell orientiert, ich gehe davon aus, dass er dann eine keusche Lebensweise führt.“
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Es sind die Laien, die Gemeinschaft stiften – Priester verkomplizieren das Leben nur.
Wenn man über kath. Kirche spricht, muss man sich vergegenwärtigen, dass wir einerseits über religiöse Lehre und andererseits über gemeinschaft-, auch identitätsstiftende Institution sprechen, verkörpert durch sexualitätsdämonisierende (vermutlich neurotische) Priester einerseits und den Laien der Normalpopulation, die Sexualität als einen vitalen Antrieb begreifen, andererseits. Letztere sind die essentiellen Träger dieses gemeinschaftsstiftenden Werks. Während die Priester und ihre Lehre überflüssig wie ein Kropf sind und sich hinter leeren Ritualen verstecken, packen die Laien richtig zu und gestalten Gemeinschaft in Kindertagesstätten, Pflegeeinrichtungen, in der Pfarrgemeinde, als Ehrenamtliche in Kolpingsfamilien, Frauengemeinschaften oder bei der Tafel. Sie sind die dienstbaren Geister, die Priester sind nur Prediger einer pathologisierenden Sexualkunde. Wirklich gemeinschaftsstiftend im Sinne der handfest zulangenden Laien sind sie nicht.
Aus diesem Grunde möchte ich letztere auch ganz solidarisch unterstützen, anerkennend, dass sie unschätzbare gemeinschaftsstiftende Leistungen für Deutschlands Gemeinschaft erbringen. Für die Priester sind sie allerdings nicht mehr als schmückendes Beiwerk.
Admin - 17:59:23 @